Klassische Pilgerlieder
und Lyrik um das Pilgerthema
 

Siehe auch Jakobuslieder
Siehe auch Pilgerlieder des Weges
siehe auch Pilgerlieder in Glaubensliederbüchleins
Siehe auch Jakobusgebete und Vereinsgebet  und Oration zum Fest des Hl. Jakobus
Siehe auch  Gebete für das Pilgerleben
Siehe auch Wanderlieder

Siehe auch Sonnengesang

Franz von Ratschtky, Lied zur Gesellenreise
Friedrich von Schlegel, Der Wanderer
Tyrion,
Der Pilger
Ludwig Uhland, Der Pilger
Joseph von Eichendorff,  Der Pilger
Georg Philipp Schmidt, Des Fremdlings Abendlied
Georg Philips Schmidt, Der Wanderer
Franz Schober, Pilgerweise
Georg Segessenmann, Bergwelt
Albert Träger , Wie Lenzeshauch hast du mich stets erquickt
Lyrische Dichtung aus der Zeit der Romantik:
Achim von Armin und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn
Clemens Brentano: Ein Pilger
Clemens Brentano: Ein Neues Pilgerlied

 

Klassische Pilgertexte, die z. T. einmal vertont wurden

Lied zur Gesellenreise
[Text: Josef Franz von Ratschtky (1757-1810),
Mel.: Wolfgang Amadeus Mozart /1756-1791) als "Freimaurerlied" K 468 (1785)]

Die ihr einem neuen Grade
der Erkenntnis nun euch naht,
wandert fest auf eurem Pfade,
wisst, es ist der Weisheit Pfad.
Nur der unverdrossne Mann
mag dem Quell des Lichts sich nahn'n.

Nehmt, o Pilger, zum Geleite
eurer Brüder Segen mit!
Vorsicht sei euch stets zur Seite;
Wissgier leite euren Schritt!
Prüft und werdet nie dem Wahn
träger Blindheit untertan!

Rau ist zwar des Lebens Reise,
aber süß ist auch der Preis,
der des Wand'rers harrt, der Weise
seines Fahrt zu nützen weiß.
Glücklich, wer einst sagen kann:
Es ist Licht auf meiner Bahn!

Der Wanderer
[Text: Friedrich von Schlegel (1772-1829) vertont von Franz Peter Schubert (1797-1828)]

Wie deutlich des Mondes Licht
zu mir spricht,
mich sehnend zu der Reise;
"Folge treu dem alten Gleise,
wähle keine Heimat nicht.
Ew'ge Plage
bringen sonst die schweren Tage;
fort zu andern
sollst du wechseln, sollst du wandern,
leicht entfliehend jeder Klage."

Sanfte Ebb und hohe Flut,
tief im Mut,
wandr' ich so im Dunklen weiter,
steige mutig, singe heiter,
und die Welt erscheint mir gut.
Alles Reine
seh ich mild im Widerschein,
nichts verworren
in des Tages Glut verdorren:
Froh umgeben, doch alleine.

Der Pilger
[Text: Ludwig Uhland]
Es wallt ein Pilger hohen Dranges,
Er wallt zur sel'gen Gottesstadt,
Zur Stadt des himmlischen Gesanges,
Die ihm der Geist verheißen hat.

"Du klarer Strom, in deinem Spiegel
Wirst du die heil'ge bald umfahn.
Ihr sonnehellen Felsenhügel,
Ihr schaut sie schon von weitem an.

Wie ferne Glocken hör ich's klingen,
Das Abendrot durchblüht den Hain.
O hätt ich Flügel, mich zu schwingen
Weit über Tal und Felsenreihn!"

Er ist von hoher Wonne trunken,
Er ist von süßen Schmerzen matt,
Und in die Blumen hingesunken,
Gedenkt er seiner Gottesstadt.

"Sie sind zu groß noch, diese Räume,
Für meiner Sehnsucht Flammenqual;
Empfahet ihr mich, milde Träume,
Und zeigt mir das ersehnte Tal!"

Da ist der Himmel aufgeschlagen,
Sein lichter Engel schaut herab:
"Wie sollt ich dir die Kraft versagen,
Dem ich das hohe Sehnen gab!

Die Sehnsucht und der Träume Weben,
Sie sind der weichen Seele süß,
Doch edler ist ein starkes Streben
Und macht den schönen Tram gewiß."

Er schwindet in die Morgendüfte;
Der Pilger springt gestärkt empor,
Er strebet über Berg' und Klüfte,
Er stehet schon am goldnen Tor.

Und sieh! gleich Mutterarmen schließet
Die Stadt der Pforte Flügel auf;
Ihr himmlischer Gesang begrüßet
Den Sohn nach tapfrem Pilgerlauf.
Der Pilger

Man setzt uns auf die Schwelle,
Wir wissen nicht, woher?
Da glüht der Morgen helle,
Hinaus verlangt uns sehr.

Der Erde Klang und Bilder,
Tiefblaue Frühlingslust,
Verlockend wild und wilder,
Bewegen da die Brust.

Bald wird es rings so schwüle,
Die Welt eratmet kaum,
Berg’, Schloss und Wälder kühle
Steh‘n lautlos wie im Traum,

Und ein geheimes Grausen
Beschleichet unsern Sinn:
Wir sehnen uns nach Hause
Und wissen nicht, wohin?

Joseph von Eichendorff. Gedichte (Ausgabe 1841)

 
 

Pilgerlied
[Auserlesene Gedichte von Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj, Sigmund von Birken, Andreas Scultetus, Justus Georg Schottel, Adam Olearius und Johann Scheffler, Leipzig 1826, S. 93-95.
Permalink:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Birken,+Sigmund+von/Gedichte/Gedichte/Pilgerlied]
Ziehet hin! spricht zu den Seelen,
der dem Adam Odem gab.
Geht, ihr Kinder, in die Höhlen,
die Ich euch gebauet hab'.
Wandert hin! Kommt wieder her!
Sucht durch Elend Sternenehr'!

Unser Gasthaus ist die Erde,
sie ist unsre Heimat nicht.
Unser Wallen voll Beschwerde
nach dem Himmel ist gericht'.
Für uns ist kein Bleiben hier,
jene Wohnstatt suchen wir.

Uns schützt wider Sonn' und Regen
Gottes Hand, der Pilgerhut,
und der Stab auf unsern Wegen
ist Sein Wort, so Hilfe tut.
Der macht unsern Tritt gewiss
in dem Tal der Finsterniß

Sorgen, Sünden, die uns drücken,
unsre Wanderbündel sind,
bis das Reiseziel den Rücken
von der schweren Last entbind'.
Wann sich endet unser Lauf,
schlafen wir dann sanft darauf.

 

Des Fremdlings Abendlied
[Georg Philipp Schmidt von Lübeck, (1766-1849),
vertont von Franz Peter Schubert (1797-1828)]

Ich komme vom Gebirge her,
Die Dämmerung liegt auf Wald und Meer;
Ich schaue nach dem Abenstern,
Die Heimath ist so fern, so fern.

Es spannt die Nacht ihr blaues Zelt
Hoch über Gottes weite Welt,
Die Welt so voll und ich allein,
Die Welt so groß und ich so klein.

Sie wohnen unten Haus bei Haus,
Und gehen friedlich ein und aus;
Doch ach, des Fremdlings Wanderstab
Geht landhinauf und landhinab.

Es scheint in manches liebe Thal
Der Morgen- und der Abend-Strahl,
Ich wandle still und wenig froh,
Und immer fragt der Seufzer: wo?

Die Sonne dünkt mich matt und kalt,
Die Blüthe welk, das Leben alt,
Und was sie reden, tauber Schall,
Ich bin ein Fremdling überall.

Wo bist du, mein gelobtes Land,
Gesucht, geahnt und nie gekannt?
Das Land, das Land, so hoffnungsgrün,
Das Land, wo meine Rosen blüh'n?

Wo meine Träume wandeln gehn,
Wo meine Todten auferstehn;
Das Land, das meine Sprache spricht,
Und Alles hat, was mir gebricht?

Ich übersinne Zeit und Raum,
Ich frage leise Blum' und Baum;
Es bringt die Luft den Hauch zurück:
»Da, wo du nicht bist, ist das Glück!«


Der Wanderer
[Georg Philipp Schmidt von Lübeck, (1766-1849),
vertont von Franz Peter Schubert (1797-1828)]

Ich komme vom Gebirge her,
Es ruft das Tal, es rauscht das Meer;
Ich wandle still und wenig froh,
Und immer fragt der Seufzer: Wo?

Die Sonne dünkt mich hier so kalt,
Die Blüte welk, das Leben alt,
Und was sie reden, tauber Schall;
Ich bin ein Fremdling überall.

Wo bist du, mein gelobtes Land,
Gesucht, geahnt und nie gekannt?
Das Land, das Land, so hoffnungsgrün,
Das Land, wo meine Rosen blühn?

Wo meine Träume wandeln gehn,
Wo meine Toten auferstehn;
Das Land, das meine Sprache spricht
Und alles hat, was mir gebricht?

Ich wandle still und wenig froh,
Und immer fragt der Seufzer: Wo?
Es bringt die Luft den Hauch zurück:
Da, wo du nicht bist, blüht das Glück.

Pilgerweise
[Text. Franz Schober (1798-1882)
vertont von Franz Peter Schubert (1797-1828)]

Ich bin ein Waller auf der Erde
Und gehe still von Haus zu Haus,
O reicht mit freundlicher Gebärde
Der Liebe Gaben mir heraus!

Mit offnen, teilnahmsvollen Blicken,
Mit einem warmen Händedruck
Könnt ihr dies arme Herz erquicken
Und es befrein von langem Druck.

Doch rechnet nicht, daß ich euch's lohnen,
Mit Gegendienst vergelten soll;
Ich streue nur mit Blumenkronen,
Mit blauen, eure Schwellen voll.

Und geb' ein Lied euch noch zur Zither,
Mit Fleiß gesungen und gespielt,
Das euch vielleicht nur leichter Flitter,
Ein leicht entbehrlich Gut euch gilt -

Mir gilt es viel, ich kann's nicht missen,
Und allen Pilgern ist es wert;
Doch freilich ihr, ihr könnt nicht wissen,
Was den beseligt, der entbehrt.

Vom Überfluss seid ihr erfreut,
Und findet tausendfach Ersatz;
Ein Tag dem andern angereihet
Vergrößert eures Liebesschatz.

Doch mir, so wie ich weiter strebe
An meinem harten Wanderstab,
Reißt in des Glückes Lustgewebe
Ein Faden nach dem andern ab.

Drum kann ich nur von Gaben leben,
Von Augenblick zu Augenblick,
O wollet vorwurfslos sie geben,
Zu eurer Lust, zu meinem Glück.

Ich bin ein Waller auf der Erde
Und gehe still von Haus zu Haus,
O reicht mit freundlicher Gebärde
Der Liebe Gaben mir heraus!

Bergwelt
[Text: Georg Segessenmann (August 1999)]

Berge unter lichten Wolken,
Sturzbach, der zu Tale rauscht,
Herdenkühe, frisch gemolken,
Gemse, die Gefahr erlauscht;

Bergblumen ducken ihre Köpfe,
zwei Murmeltiere halten Wacht,
an Krüppellärchen flattern Zöpfe,
die Wind und Wetter grau gemacht.

Ich wandere dem Licht entgegen,
bestaun` die hehre Alpenwelt,
trotze kaltem Wind und Regen
und bin wie selten aufgestellt.

Rund um mich tanzen Nebelfetzen,
feuchten mir das Haar, die Haut;
Perlenpracht auf Spinnennetzen,
so schön, wie ich noch nie geschaut.

Märchenzauber? Zauberwelten?
ich verlier` mich hoffnungslos darin,
geniess` die Luft, die rein und sauber
und fühle, dass ich glücklich bin.

Die Wolkendecke, nun gerissen,
weicht dem zarten Himmelsblau,
verziert von weissen Wolkenkissen;
Gletscherwind wird lind und lau.

Seufzend pack` ich meine Sachen,
greif` zögernd nach dem Wanderstab,
durch meine Seele zieht ein Lachen,
das ich schon fast vergessen hab`.

Abwärts lenk` ich meine Schritte,
verlass` die hehre Zauberwelt;
hoch zum Himmel geht die Bitte,
dass der Herr sie lange noch erhält.

 

Wie Lenzeshauch hast du mich stets erquickt
[Text: Albert Träger (1830-1912), vertont von Adolf Jensen (1837-1879)]

Wie Lenzeshauch hast du mich stets erquickt,
was wild und schmerzlich mir die Brust bewegte
wenn deines Kleides Saum ich nur erblickt,
war mir es schon, als ob der Sturm sich legte.

Und über mich kommt eine süße Ruh',
schau' ich dein Antlitz an, das schöne, milde,
voll Andacht wendet sich mein Herz dir zu:
so kniet der Pilger vor dem Gnadenbilde.

Kein steinern Bild bist du, fühllos und kalt,
mit toten Reizen, die nur Leben lügen:
zum Herzen spricht mit siegender Gewalt
das schönste Herz aus deinen schönen Zügen.

Lyrische Dichtung aus der Zeit der Romantik:

Achim von Armin und Clemens Brentano:
Des Knaben Wunderhorn
Band I

Der Pilger und die fromme Dame.

Fliegendes Blatt.

Es reist ein Pilgersmann nach Morgenland hinaus,
Er kam vor eines Edelmannes Haus,
Kam vor sein Haus, vor seine Tür,
Trat eine schöne Dam herfür.

Er sprach sie an um eine gute Gab,
Was eine solche Dam vermag:
»Ich kann dir halt nichts geben,
In mein Schlafkämmerlein lass ich dich legen.«

Der Pilgersmann war von Herzen froh,
Sein Mantel er sogleich auszog,
Sie schlafen beieinander die liebe lange Nacht,
Bis dass das Hämmerlein sechs Uhr schlägt,

»Ei Bettelmann steh auf, es ist schon Zeit,
Die Vögelein singen auf grüner Held.«
»Ei lass sie betteln und pfeifen oder nicht,
Von meiner Allerliebsten scheid ich nicht.

Und als der Pilgersmann zum Hof raus kam,
Der Edelmann vom Jagen zurücke kam:
»Ich wünsche euch das ewige Leben,
Die Fraue hat mir schon Gab gegeben.«

»Ei Frau, was hast du denn dem Bettelmann gegeben,
Dass er mir wünscht das ew'ge Leben?«
»Ich hab ihm nichts gegeben als dies oder das,
So viel mein zarter Leib vermag.«

»Ei Frau, lass den Bettelmann fein nimmer in dein Haus,
Lang ihm seine Gabe zum Fenster hinaus,
Binds ihm an eine lange Stange an,
Dass er zu dir nicht langen kann.«

»Ei Mann, er bringt ja Segen in dein Haus,
Es geht der fromme Mann ins Morgenland hinaus.«
»Und zieht er hin, so lass ihn gehn,
Er möchte sonst gar stille stehn.«

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Achim von Armin und Clemens Brentano:
Des Knaben Wunderhorn
Band II

St. Jakobs Pilgerlied.

[v. Seckendorfs Musenalmanach für 1808. S. 11.]

Wer das Elend bauen wöll,
Der heb' sich auf und sey mein G'sell,
Wol auf Sankt Jakobs Strassen.
Zwei Paar Schuh, der darf er wol,
Ein Schüssel bey der Flaschen.

Ein breiten Huth, den soll er han,
Und ohne Mantel soll er nit gahn
Mit Leder wol besezet,
Es schnei' oder regen' oder wehe der Wind
Daß ihn die Luft nicht nezet.

Sack und Stab ist auch dabey,
Er lug, daß er gebeichtet sey,
Gebeichtet und gebüsset,
Kommt er in die welsche Land,
Er findt keinen deutschen Priester.

Ein deutschen Priester findt er wol,
Er weiß nit wo er sterben soll,
Oder sein Leben lassen.
Stirbt er in dem welschen Land,
Man gräbt ihn bei der Strassen.

So ziehen wir durch Schweizerland hin,
Sie heissen uns Gott wellkumm! sin,
Und geben uns ihr Speise.
Sie legen uns wol und decken uns warm,
Die Strassen thun sie uns weisen.

So ziehen wir durch die welsche Land,
Die sind uns Brüdern unbekannt,
Das Elend müssen wir bauen,
Wir ruffen Gott und St. Jakob an,
Und unsre liebe Frauen.

So ziehen wir durch der armen Gecken Land.
Man giebt uns nichts denn Aepfeltrank,
Die Berge müssen wir steigen.
Gäb man uns Aepfel und Birn genug,
Wir essens für die Feigen.

So ziehen wir durch Sofei hinein
Man giebt uns weder Brod noch Wein;
Die Säck stehn uns gar leere;
Wo ein Bruder zu dem andern kommt,
Der sagt ihm böse Mähre.

So ziehen wir zu St. Spiritus ein,
Man giebt uns Brod und guten Wein,
Wir leben in rechten Schallen,
Langedocken und Hispanien,
Das loben wir Brüder allen.

Es liegen fünf Berg im welschen Land,
Die sind uns Pilgram wol bekandt,
Der erst' heißt Runzevale,
Und welcher Bruder darüber geht
Sein Backen werden ihm schmale.

Der eine heißt de Monte Castein,
Der Pfortenberg mag wol sein Bruder sein,
Sie sind einander fast gleiche.
Und welcher Bruder darüber geht,
Verdient das Himmelreiche.

Der vierte heißt der Rabanel,
Darüber lauffen die Brüder und Schwestern gar schnell,
Der fünft heißt in Alle Fabe,
Do leit viel manches Biedermanns Kind,
Aus deutschem Land begraben.

Der König von Hispanien der führt ein Kron,
Er hat gebaut drei Spital gar schon,
In St. Jakobs Ehren,
Und welcher Bruder darein kommt,
Man beweist ihm Zucht und Ehre.

Es war dem Spitalmeister nit eben,
Vierthalbhundert Brüder hat er vergeben,
Gott ließ nicht ungerochen.
Zu Burges ward er an ein Kreuz geheft,
Mit scharfen Pfeilen durchstochen.

Der König der war ein Biedermann,
In Pilgramkleider legt er sich an,
Sein Spital wollt er beschauen,
Was ihm die deutschen Brüder sagten,
Das wollt er nit glauben.

Da ging er in das Spital ein,
Er hies ihm bringen Brod und Wein,
Die Suppe die war nit reine;
Spitalmeister, lieber Spitalmeister mein!
Die Brod sind viel zu kleine.

Der Spitalmeister war ein zornig Mann:
Der Greulich hat dich herein gethan,
Das nimmt mich nimmer Wunder!
Und wärst du nit ein welscher Mann,
Ich vergäb dir, wie die deutschen Hunde!

Und da es an den Abend kam,
Die Brüder wollten schlafen gahn,
Der Pilgram wollt schlafen alleine:
Spitalmeister, lieber Spitalmeister mein
Die Bett sind gar nicht reine.

Er gab dem Pilgram ein' Schlag,
Daß er von Herzen sehr erschrack,
Er thät zu dem Spital auslaufen,
Die andern Brüder thäten
Den Spitalmeister sehr raufen.

Da es an den Morgen kam,
Man sah viel gewapneter Mann,
Zu dem Spital eindringen,
Man fing den Spitalmeister
Und all sein Hausgesinde.

Man band ihn auf ein hohes Roß,
Man führt ihn gen Burges auf das Schloß,
Man thät ihn in Eisen einschließen,
Es thät den Spitalmeister
Gar sehr und hart verdriessen.

Der Spitalmeister hätt ein Töchterlein,
Es mocht recht wol ein Schälkin sein.
Es nimmt mich immer Wunder,
Daß der liebste Vater mein,
Soll sterben wegen der deutschen Hunde.

Es stund ein Bruder nahe dabey,
Nun soll es nit verschwiegen sein,
Ich will es selber klagen!
Da ward daßelbig Töchterlein
Unterm Galgen begraben.

Sieh Bruder, du sollst nit stille stahn,
Vierzig Meil hast du noch zu gahn;
Wol in St. Jakobs Münster.
Vierzehn Meil hinunter baß
Zu einem Stern, heißt Finster.

Den finstern Stern wollen wir lan stahn,
Und wollen zu Salvator eingahn,
Groß Wunderzeichen anschauen.
So rufen wir Gott und St. Jakob an,
Und unsre liebe Frauen.

Bei St. Jakob vergiebt man Pein und Schuld,
Der liebe Gott sei uns allen hold,
In seinem höchsten Throne,
Der St. Jakob dienen thut,
Der lieb Gott soll ihm lohnen.

 

Der Pilgrim.

(Procopii Paschale. p. 263.)

Der Geistliche.

Winter ist hin, der Pilgrim zieht ins Feld,
Im Frühling er sich umschaut in der Welt,
Wo er hinkommt, find er kein bleibend Städt,
Fühlet ers jezt, was ihn da führen wohl thät,
Im Sinn ihm liegen nur heilige Oerter,
Wohin er auch zieht, dahin nur begehrt er,
Von seinem Vorhaben zurücke nicht weichet,
Bis er das Vaterland endlich erreichet.

Geistlicher Pilgrim, halt dich nicht auf,
Laß dich nicht hindern, weit ist dein Lauf,
Hie in kein Ding verliebe dich sehr,
Sonst machen sie dir die Reise nur schwer,
All falschen Betrug im Gesang der Sirenen,
Liebkosen der Welt du weißt zu verhöhnen,
Ach bist du ermüdet, wie rauh sind die Wege,
Wie wird es so dunkel, wie schmal sind die Stege.

Der Pilgrim.

 

Ich bin ein Pilgrim, reis' ins heilge Land,
Ob ich komm wieder, das ist Gott bekannt,
Nach Rom, Lorett in Italia,
Auch nach St. Jakob in Galitia.
Gott mich begleite, daß ichs glücklich ende,
Mein Müh und Zeit zu seinem Dienst anwende,
All Tritt und Schritt geschehen ihm zu Ehren,
Er geb mir Gnad, daß ich mög wiederkehren.

Viel muß ich leiden auf der Wanderschaft,
Ach lieber Herr verleih mir Stärk und Kraft,
Denn der Gefahr ich unterworfen bin,
Hilft nichts dafür, ich schlag mirs aus dem Sinn.
Mein schweres Bündel muß ich selber tragen,
Weiß keinen Weg, darum muß ich oft fragen,
Groß Ungewitter, Ungelegenheiten,
Mich werden plagen, ich sehs schon von weiten.

Der bittre Hunger mir die Kräfte frißt,
Der täglich Durst mein steter Gleitsmann ist,
Bey langem Tag, wohl in dem Sommer heiß
Thu ich vergiessen manchen Tropfen Schweis.
Geld hab ich nicht, davon ich möchte zehren,
Doch trau ich Gott, der wird mir Speis bescheren.
Die müden Füß mich machen schier verzagen,
Gern hättens, daß ich sie am Hals thät tragen.

Komm ich zu einem klaren Wasserbach,
Bald um ein gutes besser wird mein Sach,
Ich halt mich auf dabey, leg die Bürd,
Mir ist, als wenn ich neu geboren würd,
Ich tret hinein und thu mich recht abkühlen,
Fast alle Glieder mein das Kühl bald fühlen,
Ich sprütz mirs ins Gesicht und thu mich waschen,
Und füll wohl auch damit mein Pilgertaschen.

Ein grünen Baum ich seh gar schattenreich,
Darunter ich mich niederlasse gleich,
Ich schau hinauf, ob er von Obst hat was,
Mit Stein und Prügeln ich ihm abnehm das.
Den matten Körper thu ich wacker laben,
Die Säck ich voll anschieb, wenn ichs kann haben,
Damit den Durst und Hunger ich vertreibe,
Und dergestalt ich noch bey Kräften bleibe.

Im grünen Gras nehm ich ein wenig Ruh,
Ein süsser Schlaf bekommt wohl auch dazu,
Dann steh ich auf und setze fort mein Reis,
Die erste Nachtherberg ich selbst nicht weiß,
Ich bin erquickt, drum frisch darauf ich springe,
Bin lustig, guter Ding und mir eins singe
Was werd ich essen, Abends oder Morgens,
Drum laß ich Gott und klein Waldvöglein sorgen.

Der Geistliche.

 

In diesem Leben sind Pilgrim wir all,
Niemand sich schätze besser zumal,
Die anderen Ding sind all hier daheim,
Warum, sie sind nur von Erde und Leim:
Aber der edle Mensch ist hier Fremdling,
Muß von hinnen wandern oft gähling,
Ist für die bessere Welt doch erschaffen,
Zum Vaterland eilt er zum Himmel rechtschaffen.

 

Ein neues Pilgerlied.

(Aus den Siebziger Jahren, mitgetheilt von H. F. Schlosser.)

An welcher Zelle kniet nun
Mein süsser Pilgerknab,
Ach wo! ach wo! in welchen Sand
Drückt er den Dornen Stab?

Wo drückt sein rother Mund ein Kuß,
Aufs heilige Gewand,
Und welchen Bruder grüsset er
Mit seiner frommen Hand.

Ihr Engel singt ihm alle gar
Wo er im Schlummer ruht,
Den Rosenkranz in seiner Hand,
Die Muscheln auf dem Hut.

Ach süßes Aug, so fromm und rein,
So schwarz als Holderbeer!
Ach dürft ich seine Schwester sein,
So heilig sein wie Er!

Fremd ist die Welt mir weit und breit,
Irr ich ohn Rast und Ruh,
Klein ist die Welt, und mein und mein,
Wenn ich Ihn finden thu.

 

Achim von Armin und Clemens Brentano:
Des Knaben Wunderhorn
Band III

Kein Pilgergedicht

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Clemens Brentano
Ein Pilger
 

Die Sonntagssonne steht noch hoh;
Im Rebenzelt auf eichenen Bänken
Vor'm Schenkhaus sitzen die Bauern froh
Und trinken und sinnen, wie sie mit Ränken
Zur Rache den schlauen Nithart kränken.
Todtschlagen? ei, das wäre nicht fein,
Und sonst fällt ihnen nichts Andres ein.
Ein Pilgersmann vorüber wallt
Mit grauem Kittel und Muschelhut,
Von schwarzem Gurt den Leib umschnallt,
Dran steckt manch Ablaßzettel gut;
Von heil'gen Knochen starrt die Tasche,
Von Jordanswasser quillt die Flasche,
Am Busen Kreuz und Skapulier,
Am Stabe selbst ein Kreuz als Zier;
Der heil'ge Staub an seinem Fuß
Von Zion noch und Kompostell,
Er bebt entweiht, daß er so schnell
Gemeinem Staub sich mischen muß.

»Gelobt sei, der da war und ist!«
Der Pilger grüßt und schreitet weiter.
»Gelobt auch,« Engelmar ruft's heiter,
»Der Teufel, dessen bald du bist!
O bleibt von diesen Frommen weit,
Von dieser Zunft der Heiligkeit,
Heilkrämern, die da wägen, messen
Ihr Seufzen und ihr Augenzwinken,
Doch haben sie das Maß vergessen
Für Thränen, die im Aug' uns blinken!
Der Kaufherr sucht im Osten weit
Weihrauch, der nicht daheim gedeiht;
Weitum nach heiligen Orten rennt,
Wer in sich selbst kein Heilthum kennt.
Zur That, die Keiner für sich wagt,
Macht Gottes Namen unverzagt;
Der Kirchendieb blieb unertappt,
In Küsters Mantel schlau verkappt.
Drum hütet euch vor diesen Frommen;
Schließt gut die Thüren, so sie kommen.«
Dem Kleide nur und nicht dem Mann
Galt Engelmars zornvoller Bann,
Der noch zu mild, hätt' er entdeckt,
Daß Nithart in dem Kleide steckt.

Der Pilger schreitet rüstig aus
Gen Engelmars Gefild und Haus.
»Willst du dem Feind zu Leibe gehn,
Ins Feindeslager mußt du spähn!«

Er tritt zur Hausflur ein; da blinken
Festtäglich blank die Sichel, die Haue,
Die Sense, blutdürstig nach Morgenthaue,
Der Rechen mit kronverwandten Zinken,
Die schönen Waffen, die geweihten,
Die für das Brod, das heilige, streiten;
Zu Kampflust weckt der Rittersaal,
Zu Frieden stimmt dieß Arsenal.
Er tritt zur Kammer, rings im Kreise
Von blankem Zinn an Sims und Stellen
Die Schüsseln und Teller gereiht, die hellen,
Wie jener Waffen ersiegte Preise;
Bei jedem Mahl die Schüssel reich
Ist ein im Kampf ersiegter Schild,
Und jedes Kännlein Weines gilt
Dem Helm, gefüllt mit Golde, gleich.
Hier machte Kriegeshandwerk mild;
Es theilt des Hauses Ueberfluß
Mit jener Lerche fromm der Wirth,
Die frei um Tisch und Dielen schwirrt
Und dankt mit ihrem Morgengruß;
Doch ist's vielleicht zerknirschter Sinn,
Der reuig die Saatenkönigin,
Die er beraubt, entschäd'gen muß? –
Vom Ecksims zwischen zweien Wänden
Blickt die Madonna traurigmild,
Die schwarze Maria heißt solch Bild,
Laßt seinen Goldgrund euch nicht blenden!
Er malt den Brand ägypt'scher Sonne,
Der Kind und Mutter sengte braun
Auf wilder Flucht nach fremden Gau'n;
Das ist des Bauers echte Madonne!
Das Kind an der Brust, du braune Maid,
Du kennst, wie er, der Sonne Glüh'n,
Der Nächte Kummer, des Tages Müh'n
In schlechtem braunen Lodenkleid,
Und deine Hände braun und rauh,
Sie kennen, wie er, die Arbeit genau
Für deine Lieben, für dein Kind!
Du aber, Himmelskönigin,
Geschirmt vom damastnen Baldachin,
Mit Wangen, die Milch und Rosen sind,
Mit dem lächelnden, wangenrothen Kind,
Mit Haaren, gedreht aus Sonnengold,
Mit Fingern, aus Elfenbein gerollt,
In Stoffen, die den Kaufherrn loben,
Die Tyr gefärbt, Damask gewoben,
Des Reichthums Tochter, bleib' in Palästen,
Hüt' ihren Hort vor schlimmen Gästen,
Schirm' ihre Kinder vor dem Gleiten!
Gewohnt, auf Marmorgetäfel zu schreiten,
Hast du die Scholle nie betreten;
Der Bauer kann zu dir nicht beten.
Sein eignes Sein nur hat verklärt
Der Mensch im Göttlichen, das er ehrt.
Nur wenn dir einst am Herzen liegt
Anstatt des Kinds das Siebenschwert,
Des Schmerzes Göttlichkeit bekehrt
Dann Alle dir, die Alle besiegt!
Dem dunkeln Bilde brennt zu Füßen
Ein Lämpchen mit bescheidnem Glanz,
Des Kleides Saum scheint's fromm zu küssen;
Am Arm der Ampel lässig hängt
Von Holzkorallen ein Rosenkranz,
Als hätte der Eigner, zeitgedrängt,
Ihn eilig dem Lämpchen umgehängt,
Statt seiner ihn abzubeten ganz;
Das Lichtlein scheint sich betend zu regen,
Sein Flackern ein stilles Lippenbewegen.
Doch hinter'm Bildesrahmen leis
Guckt vor ein dürres Birkenreis,
Die hohe Schule der Wissenschaft,
Geborgen im Schutz der Glaubenskraft;
Wenn sich die Reiser zum Bündel mehren,
Wird's Inbegriff der besten Lehren;
Der Lehrer war's in diesem Kreise,
Der Prediger guter Christenweise,
Hier aber wird nicht mehr erzogen,
Und Spinngeweb hat's überflogen.
Doch der Beschauer ward alsbald
Von süßer Wehmuth ganz bezwungen,
Ihm säuseln die Jugenderinnerungen,
Ein frischer, grüner Birkenwald.
Am Tisch dort rinnt in gleichem Maß
Der dünne Sand im Stundenglas,
Ein Brünnlein, in dieß Haus geleitet,
Vom Zeitenstrom, der draußen schreitet;
Indeß die Flut dort brausend floh,
Ist hier ein Plätschern nur alltäglich,
Doch hier auch spiegelt's ebenso
Das Menschenherz bald froh, bald kläglich.
Herrn Nithart aber überkam
Friedfertig Sinnen wundersam.

Vom andern Stubenende schaut
Der grüne Kachelofen prächtig,
Wie eine Burg auf Felsen mächtig,
Auf breitem Fundament gebaut;
Von seiner Decke der Fliegenwedel
Grüßt wie ein Banner ins Thal herein,
Am Sims der rothen Aepfel Reihen
Wie von den Zinnen Feindesschädel.
Da sitzt Hausmütterlein am Rocken
Und dreht das Rad und spinnt und spinnt.
Zwei Töchter schmeidigen gelind
Zum Tanz Haarflechten sich und Locken;
Blühweiß ein Schleier drüber wallt
Wie Blüthenschnee der Weißdornhecken,
Die Silbernadel gibt ihm Halt,
Dem Goldring sich die Finger strecken.
Hausmutter spinnt, rauh ist die Hand,
Und grober Zwilch des Leib' s Gewand;
Der alte Dorn wird dürr und hart,
Auf daß die Knospen blühen zart.
Die lebensmüde, zitternde Hand
Webt noch dem Kind ein schmückend Band.
Die Gottesmutter dort im Bild,
Die ird'sche Mutter hier am Rocken!
In Nitharts Brust ein Friede quillt,
Wie durch die Weihnacht ferne Glocken.
Auf Haß zu sinnen ist's kein Ort,
Wo angesiedelt sich ein Lieben;
Froh, daß er unbemerkt geblieben,
Und süßbeklommen schleicht er fort.

Der Vollmond steht am Himmel hoch,
Vor'm Schenkhaus sitzen die Bauern noch
Und trinken und sinnen, wie sie mit Ränken
Zur Rache den schlauen Nithart kränken.
Todtschlagen? Ei, das wäre nicht fein!
Und sonst fällt ihnen nichts Andres ein.
Pfaff von Kahlenberg

Huttens Gast
XXXVIII Der Pilger
Mich drückt der Föhn. Er atmet schwer und schwül.
Dort im Kapellendunkel ist es kühl.
Zu einer Abendruhe kehr' ich ein
Und werde wohl der einz'ge Beter sein.
Grüß Gott, mein schwäb'scher Nachbar Adalrich!¹
Du lächelst blöd. Ein Stümper malte dich.
Ein Kirchlein trägst du sittig in der Hand:
Du schufst ein Kloster, merk' ich, hie zu Land!
Du gingest im Geleite deiner Zeit
Und hast's getan in Herzenslauterkeit.
Mir sinkt das Haupt... Wer da? Bin ich belauscht?
Am Fuß des Altars hat Gewand gerauscht.
Ein Pilger kniet, der stumm die Lippen regt
Und betend seinen Rosenkranz bewegt.
Ein kühner Wuchs, geduckt in Mönchsgewand!
Und - mein' ich - eine schwertgewohnte Hand -
Was haucht mich an? Wie fällt mir plötzlich bei,
Daß dieser Mönch ein böses Wesen sei?...
Was flüstert mir im Ohr, daß dieser still
Versunkne Mensch mir an das Leben will?...
Ein Mörder ist's, gesendet gegen mich!
Nein. Ruhig kniet und edel hebt er sich.
Er wendet sich der Uferbrandung zu -
Du bist ein Ritter! Warum pilgerst du?

1. Der Kirchenheilige der Ufenau
XXXIX Die Mahlzeit
Er steht am Strand und scheint hinauszusehn,
Als wollt' er auf dem Kamm der Wogen gehn.
Ein Blitz! Er stürzte prasselnd in die Flut!
Das Ufer glomm in bleicher Schwefelglut...
Das leidenvolle Schwärmerangesicht
Umgab ein Heil'genschein von Höllenlicht...
Mein armer Hutten - du bist leibesschwach!
Ruf du den Pilger lieber unter Dach!
Ins Trockne, Pilger, eh' der Regen wogt!
Des Hauses Herr ist fort. Ich bin der Vogt.
Was stehet Ihr verzückt? Ihr werdet naß!
Gebt mir die Hand! Wir treten ins Gelaß.
Seid hier willkommen! Machet's Euch bequem!
Wohin die Reise? "Nach Jerusalem."
Das, rüst'ger Pilgrim, liegt meerüber schon.
Ich fragte nach der nächsten Station.
"Dort hinterm Berg Einsiedelns Gnadenhaus."
Leer ist das Nest. Die Vögel flogen aus.
Ihr schlagt ein Kreuz, als wär' der Böse hier?
Erlaubt! Mit einem Christen redet Ihr!
(Die welsche Frömmelei behagt mir schlecht...
Sei freundlich, Hutten! Er hat Gastes Recht!)
Ich wette, Herr, Ihr trugt Soldatentracht,
Nennt mir den Feldzug, den Ihr mitgemacht!
"Pamplonas Wälle, Herr, verteidigt' ich."
Das ehrt. Die Festung hielt sich ritterlich.
Und kämpftet Ihr in keinem neuern Krieg?
"Ich kämpfe stets. Maria gibt den Sieg."
Sein redlich Bündel trägt ein jeder Christ.
"Maria rettet uns vor Satanslist."
(Mit solchen Nonnensprüchlein sticht er mich!
Potz Blut und Wunden... Hutten, zähme dich!)
Pilger, ich hol' Euch einen Becher Wein?
Ihr weigert Euch? So schenkt Euch Wasser ein.
(Er murmelt, exorziert den lautern Quell
In Ketzerland... Unheimlicher Gesell!
Rasch dunkelt's. Lodre, Lämpchen... Ein Gesicht,
Das meinem tiefsten Wesen widerspricht!
Weltfremde Augen voller Traum und Wahn -
Und doch der Mund Entschluß... die Stirne Plan!)
- Hidalgo, Ihr beginget wilde Tat
Und suchet jetzt an heil'gen Orten Rat?
Ihr büßt? (Er kreuzt die Hände auf der Brust
Und schweigt. Auch mir erstirbt der Rede Lust.
's ist besser so, uns dürfte Streit entstehn,
Am klügsten ist es, wenn wir schlafen gehn.)
Seht, Pilger, wie der nächt'ge Himmel loht!
Heut abend fändet schwerlich Ihr ein Boot.
Nehmt hier vorlieb, ist auch der Raum beschränkt!
Wir suchen jetzt die Ruhe, wenn Ihr denkt.
Ihr wollet lagern auf dem nackten Stein?
Das duld' ich nicht. Ihr werdet müde sein.
Da meine Decke! Hier den Mantel auch!
Ihr bettet Euch nach schlichtem Feldgebrauch!
Gut' Nacht! Ihr seid ein Spanier? "Ritter, ja."
Und nennet Euch? "Iñigo Loyola."¹

1. Die Pilgerfahrt des Igantius von Loyola nach Jerusalem fällt in diese Zeit
XL Das Gebet
Ein grauser Wetterschlag! Der Donner kracht.
Was sah ich dort in blitzerhellter Nacht?
Und wieder jetzt! Ein Rücken - schauerlich,
Der Spanier geißelt mit dem Gürtel sich!
An seinen hagern Schultern rieselt Blut!
Zu beten hebt er an in Andachtsglut.
Gezwungen lauschend hör' ich jedes Wort
Auf jenen qualberauschten Lippen dort:
"Maria, makellos empfangne Magd,
Zu Deinen Knie'n hab' ich der Welt entsagt.
Dem ird'schen Rittertum ersterb' ich hier
Und zeichne mich zum ew'gen Knechte Dir.
Wo darf ich bluten? Gib das Feldgeschrei!
Du deutest schmerzlich auf die Ketzerei -
Sie haben Dir die Krone von dem Haupt
Und aus der Hand die Lilie Dir geraubt.
Du weinest? Deine Tränen brennen mich -
Ich führe Deine Sache. Tröste Dich!
Ein Wink von Dir - so stürz' ich in die Schlacht.
Nicht kennst Du selbst die Größe Deiner Macht!
Im Bibelbuche spricht der eigne Sohn
Zu Dir, Du Hohe, nicht in würd'gem Ton.
Die heil'gen Schriften sind der Ketzer Hort -
Du lächelst und besiegst das Bibelwort.
Der ein'ge Richter Christus schreckt die Zeit,
Gern folgt sie eines Weibes Lieblichkeit.
Wenn sich der Sohn zu Martin Luther kehrt,
Dich krönen wir, die nicht der Wonne wehrt!
Du bebst in aller Abendglocken Erz,
Du füllst die Seele, Du beglückst das Herz.
Wir decken Dich mit duft'gen Rosen zu,
Gen Himmel schwebest ungekreuzigt Du!
Die Du dem gläub'gen Spanier oft erschienst,
Ihm glüht der Busen noch von Deinem Dienst.
Dir, Fürstin, werb' ich eine Companie
Und führe gegen Deine Feinde sie.
Ein unbarmherzig Heer, das nie erschlafft,
Versamml' ich unter meiner Hauptmannschaft.
Die Ketzer tötend, doch den Sündern mild,
Bekehren wir die Welt zu Deinem Bild.
Wo wir zerstörte Tempel wieder weihn,
Besteige, Göttin, den Altar allein!
Und wer zum Erdenweibe Dich entweiht,
Gerichtet sei er und vermaledeit!...
Tauch unter, Schwan, und aus der Welle Schoß
Erstehe doppelt blank und makellos!...
Du lächelst Deinem Knecht belohnend zu,
In goldne Himmelsglorie schwindest Du..."

XLI Fiebernacht
Der Morgen graut - des Pilgers Stätte leer?
Beim Hahnenruf verschwand gespenstisch er!
Was ich geschaut, ist's Wahrheit? War es Traum?
Schlief mit dem Teufel ich im gleichen Raum?
Es war ein Spuk! Es war ein Fieberwahn!
Die welsche Fratze hat mir's angetan!
Nein, Wahrheit war's! Kein Morgenwind verweht
Das andachtsvoll irrsinnige Gebet!...
Was quäl' ich mich? Unfähig ist der Tat
Ein Frömmler! Doch ein Spanier? Ein Soldat?
Kein Mönchlein ist's, in Müßiggang erschlafft,
Er hat des Kriegers Zucht und Willenskraft.
Er ist ein Schwärmer! Voller Selbstbetrug!
Daneben ist er wie die Hölle klug!
Ein Weib vergöttern - Aberwitz und Schmach -
Von Even stammend, die den Apfel brach!
Dem Weibe schmeicheln ist der Schlange List!
Ich Hutten weiß, was an den Weibern ist!
Der Wahrheit Trotz und Zorn und Fehdelust
Hat keinen Raum in einer runden Brust.
Zutulich naht die üpp'ge welsche Kunst,
Andacht verkuppelnd mit der Sinne Brunst.
Die Kirche steigt phantastisch wieder auf
Und gürtet sich zu neuem Siegeslauf;
Mit feiger Fürstentyrannei gepaart,
Steht sie um ihre Götzen fest geschart;
Der Drache Rom, getroffen bis ins Mark,
Durch seine Wunde wird er wieder stark
Und von der Wahrheit Schwert des Kopfs beraubt,
Wächst er empor mit einem gift'gern Haupt.
O Menschheit, qualenvoller Sisyphus,
Der seinen Felsen ewig wälzen muß!
Ein flüchtig Vorgefecht hat mich genarrt,
Jetzt erst erblick' ich meinen Widerpart.
Nun ich auf Erden meinen Tag vertan,
Fängt sich der grimmste Feind zu zeigen an.
Verruchter Mördername: "Loyola!"
Blut klebt an diesen roten Silben da.
Der Höllensendling wird die Welt durchziehn!
Was stieß ich nieder nicht im Beten ihn?
Pfui, Hutten, Meucheltat! Das Fieber plagt
Und rüttelt dich. Gottlob, der Morgen tagt...
Vielleicht war's eine Ausgeburt der Nacht?
Und doch! Hätt' ich den Spanier umgebracht!


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